Portrait eines Sternzeichens
oder was die Jungfrau mit der Schöpfung zu tun hat
Ich gestehe, dass ich keine Ahnung von Astrologie habe. Zum Beispiel weiß ich nicht, was in diesem Zusammenhang „Haus“ bedeutet und was die Sonne darin zu suchen hat.
Und wer auch immer gerade „rückläufig“ ist, führt nichts Gutes im Schilde. Wenigstens das weiß ich, weil es sich wie ein Lauffeuer herum spricht und alles Unheil erklärt: „Naja kein Wunder, XY ist rückläufig, sei bloooß vorsichtig!“
Aber auch ohne astrologische Kenntnisse bin ich ganz gut durchs Leben gewandert, denn offenbar habe ich ein anderes Leitsystem gewählt. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass Astrologie eine ernst zu nehmende Wissenschaft ist. Einer meiner geistigen Lehrer meinte einmal: „Astrologie ist nichts“ und ein andermal „Astrologie ist alles“. Auf Bitte um Klärung dieses Widerspruchs aus einem einzigen weisen Mund wurde mir mitgeteilt, dass sie die Mutter aller Wissenschaften sei, also „alles“. Andererseits sei das meiste, was heutzutage unter dem Etikett „Astrologie“ angeboten wird, „nichts“. Denn die uralte Wissenschaft werde heute kaum mehr gelehrt, weil es keine öffentliche Astrologie-Schule mehr gäbe, die dieses Wissen vermitteln könne. Ich bin aber sicher, dass es einige gute Astrologen gibt, die in sich diese alte Weisheit tragen und sie auch nach außen bringen. Und ich bin auch davon überzeugt, dass dieses uralte System irgendwo aufbewahrt und zu gegebener Zeit wieder ans Tageslicht kommen wird.
Vielleicht werde ich in meinem nächsten Leben Astrologe, was ich mir ja noch ein paar Jahre überlegen kann…
Wovon ich aber wirklich etwas verstehe ist die Jungfrau, denn irgendwann im letzten Jahrhundert wurde ich als solche geboren, außerdem gibt es in meiner Umgebung viele Menschen dieser astrologischen Spezies.. Da naturgemäß alle Mädels als Jungfrauen zur Welt kommen, ist hier selbstverständlich das Sternzeichen gemeint, was Ihr schon gemerkt habt, und zwar eines das grandios unterschätzt wird. Denn die Jungfrau ist in Wahrheit eine sensationelle Wesenheit im Universum. Ich weiß wovon ich rede, deshalb erzähle ich Euch aus eigenem Erleben und sehr weit zurückreichender Erinnerung, damit Ihr endlich wisst, mit wem Ihr es zu tun habt. Also hört und staunt!
Wusstet Ihr, dass die Jungfrau schon vor der Schöpfung da war? Sie sah das Chaos, was sie gar nicht ertragen kann, und so schlug sie zornig mit der Faust auf den Tisch. Das war der Urknall! Und man mag es kaum glauben, aber schlagartig war Ruhe und einigermaßen Ordnung im Universum. Na geht doch, dachte sie und sprach selbstbewusst am 7. Tag zum erschöpften Schöpfer: „Nun lass mal gut sein, ich kann das besser.“
ER aber war trotzig und „sah, dass alles gut war“, was ER auch mit Donnerhall verkündete. Die Jungfrau versuchte IHM energisch zu widersprechen, aber ER schaltete auf Durchzug, worauf sie seufzend konstatierte: „Dann muss ich wohl wieder alles alleine machen.“
Dieser kosmische Erfolg aber ist der Jungfrau zu Kopf gestiegen und so trifft man sie seitdem auf der ganzen Erde an. Sind irgendwo die Bedingungen nicht ideal, greift sie putzend und ordnend ein. Die Erkenntnis, dass man die Hausreinigung sogar meditativ machen kann, verdanken wir dem Buch „Die Kunst des achtsamen Putzens“. Ihr werdet nicht erraten, unter welchem Sternzeichen die japanische Autorin geboren wurde.
„Ordnung ist das halbe Leben“, versicherten uns die Eltern angesichts des kreativen Chaos in den Kinderzimmern. Erinnert Ihr Euch? Diese besonders hausbackene und geradezu primitive „Weisheit“ kann nicht von der Jungfrau stammen, schließlich ist das nur die halbe Wahrheit, denn „Ordnung ist das ganze Leben!“
Die Jungfrau ist zuverlässig, vertrauenswürdig, loyal und treu. Wohl dem, der sie zum Freund hat. Sie ist vernünftig, scharfsinnig, wenn nötig auch scharfzüngig, pflichtbewusst, fleißig, hilfsbereit und macht gerne Listen, die sie systematisch abarbeitet.
So konnte sie gar nicht anders, als die Buchhaltung zu erfinden, das Finanzamt und selbstverständlich auch die Exceltabelle. Außerdem das Bügeleisen samt Bügelbrett, auf dem sie auch Unterwäsche mit Inbrunst bügelt.
Beliebte Berufe der Jungfrau sind Finanzbeamter, Steuerberater, Buchhalter, Lehrer, Verlagslektor und Jurist. So hat sie sämtliche Gesetzbücher dieser Welt verfasst und in den verschiedensten Schriften (Hieroglyphen, Runen etc.) auf Steintafeln, Papyrus, Pergament und Papier verewigt. Damit meine ich wirklich alle, denn hinter vorgehaltener Hand raunt man, dass sie sogar die Urheberin der Zehn Gebote sei. Denn in Wahrheit habe damals der Jungfrau-Engel im brennenden Dornbusch gesessen.
Die Jungfrau ist der Gerechtigkeit und Wahrheit verpflichtet und sie verfügt über einen trockenen Humor. Außerdem kann und weiß sie alles besser, erinnern wir uns doch an den
7. Schöpfungstag. Pünktlichkeit ist angesichts der Jungfrau eine glatte Untertreibung. Ist sie irgendwo eingeladen, umkreist sie mindestens 15 Minuten vor dem Besuchstermin das Haus des Gastgebers, zieht immer engere Kreise, um dann Punkt 20 h mit spitzem Finger die Klingel zu durchbohren. Das nur nebenbei.
Anlässlich des seinerzeitigen Urknalls, von dem die Wissenschaft heute meint, dass es ihn vielleicht gar nicht gegeben hat (aber es gab und gibt ihn und es knallt noch immer!), erfand sie auch die Zeit. Und das nur zu dem Zweck, sie einteilen zu können. Dafür musste sie logischerweise auch die Uhr kreieren. Sie begann mit der Sonnenuhr, dann folgte die Sanduhr und schließlich steigerte sie sich in ungeahnte Höhen und entwickelte die Schwarzwälder Kuckucksuhr. Als dann eines Tages der Kuckuck herauskam und fragte, wie spät es sei, wandte sich die Jungfrau angeekelt ab, erfand die Funkuhr und schließlich die Atomuhr. Ganz sicher wird ihr eine noch genauere Uhr einfallen, falls ihr nicht der Ausstieg aus der Polarität einen Strich durch die Rechnung macht, wo es keine Zeit mehr gibt und Uhren überflüssig sind. Eine unerträgliche Vorstellung!
Die Jungfrau ist überaus realistisch. Sie analysiert, katalogisiert und erklärt Euch das Leben. Dabei fängt sie bei der Schöpfung an, an deren Vervollkommnung sie maßgeblich beteiligt war, wie Ihr staunend und hoffentlich ehrfürchtig erfahren habt. Dabei sieht sie eigentlich doch recht harmlos aus, wie man oben sehen kann. Unattraktiv ist sie aber nicht…
Die berühmt gewordene Antwort auf die Frage des Taxifahrers, wo er sie denn hinfahren soll, kann nur von einer Jungfrau stammen: „Fahren Sie mich irgendwohin, ich werde überall gebraucht“. Der Taxler spricht heute noch davon.
Es geht das Gerücht um, die Jungfrau sei geizig. Das aber ist eine böswillige Unterstellung, die von den neidischen elf anderen Sternzeichen in die Welt gesetzt wurde.
Sie ist überaus realistisch, manchmal bis zur Schmerzgrenze: Ein sehnsuchtsvoller, romantischer Fisch sitzt bei Vollmond mit einer Jungfrau auf einer Bank unter dem nächtlichen Sternenhimmel und seufzt angesichts einer Sternschnuppe: „Was wären wir, wenn wir nicht träumen könnten?“ Wahrheitsgemäß antwortet die Jungfrau: „Wach!“
Und so tragen wir Menschen, die in diesem unersetzlichen und überlebensnotwendigen Sternzeichen geboren sind, ununterbrochen zur Verbesserung der Welt bei.
Gott, der Herr hatte einen echt guten Tag, als er uns Jungfrauen erschuf. Allerdings glaube ich mich zu erinnern, ja, ich bin geradezu sicher, dass wir Alleswisser, Besserwisser und Alleskönner uns selbst erschaffen haben.
Ich höre, dass mein Aszendent Zwilling ständig dazwischen quatscht, weil er meint, unbedingt auch etwas sagen zu müssen. Um das zu verhindern (weil er sonst tagelang plaudert), höre ich jetzt auf, aber nicht ohne mit Euch auf die Jungfrau anzustoßen, imaginär und trocken, versteht sich:
Prost – Cheers – Santé – Salute – Skál – Lachajim usw. usw.
Nur noch so nebenbei, die Jungfrau ist auch ungemein sprachbegabt, wie Ihr eben feststellen durftet.
Und damit ich es nicht vergesse, es gibt natürlich auch Männer, die in diesem Sternzeichen geboren sind, allerdings kenne ich keine. Vielleicht liegt das daran, dass sie das niemals zugeben würden, was ich auch nachvollziehen kann. Aus Männermund: „Ich bin eine Jungfrau“. Also bitte ……